Hotzenwald
Der Hotzenwald ist eine einzigartige Kultur- und Naturregion im Südschwarzwald, die geprägt wird von spannenden Gegensätzen. Nach Süden liegen sonnenoffene Hochflächen, die bis auf 1100 Meter reichen und sie gewähren vor allem im Frühjahr und im Herbst großartige Fernsichten über den Hochrhein, den Schweizer Jura bis zu den Alpengipfeln. Dazwischen liegen wildromantischen Schluchten der Wehra, Murg und Alb, die über teils 400 Meter hinab bis zum Hochrhein führen. Sie machten den Hotzenwald über viele Jahrhunderte schwer zugänglich. So konnte sich im Laufe der Zeit ein selbstbewusstes Völkchen auf dieser Hochfläche entwickeln, mit eigenen Traditionen, einer lebendigen Alemannischen Sprache und einem unverwechselbaren Gemüt.Entlang des Hochrheins von Basel am Rheinknie bis nach Konstanz am Bodensee siedelten bereits in der Steinzeit Menschen. Sie hinterließen auch am Fuße des Hotzenwalds zahlreiche Spuren, die bei archäologischen Arbeiten fast in jedem größeren Ort nachgewiesen wurden. Im Herzen des Hotzenwalds, auf den höhere gelegen ebenen und in den Tälern fand man bisher keinerlei Spuren einer frühzeitigen Besiedlung. Nach den Kelten kamen vor über 2000 Jahren die Römer und siedelten entlang des Hochrheins. Auf der Schweizer Rheinseite befinden sich noch heute die wiederentdeckte und eindrucksvolle Römersiedlung Augusta Raurica, deren rekonstruierte Größe zeigt, in welchem Ausmaß sich die römische Kultur am Oberrhein ausgebreitet hatte. Doch die Höhen des Hotzenwaldes blieben auch in jener Zeit vermutlich unbesiedelt.
Erst alemannische Sippen, die sich seit dem 5. Jahrhundert entlang des Hochrheins niederließen, nutzen die unteren Täler des Hotzenwaldes. Vor allem im 7. und 8. Jahrhundert fing man an, Orte im höher gelegenen Bereichen des Hotzenwalds zu gründen. Daran erinnern noch heute die Ortsendungen "wihl" und "ingen". Im Hochmittelalter begann man schließlich durch das organisierte Vorgehen der Klöster St. Blasien, der Reichenau am Bodensee, der Rheinau bei Schaffhausen und dem Kloster Säckingen, die Höhen des Hotzenwaldes zu besiedeln. Man lockte Bauern, Hörige und Unfreie mit besonderen freiheitlichen Rechten, die Wälder zu roden und sich dort dauerhaft niederzulassen. Heute erinnern an jene Zeit besonders die Ortsendungen "schwend", "schwand" und "ried", die auf die Abholzung hindeuten.
Doch das Leben im Hotzenwald blieb über viele Jahrhunderte hart. Viele Missernten und vor allem die Überbevölkerung veranlassten im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche Hotzenwälder das Land zu verlassen und sie gingen zum Großteil nach Übersee. Heute ist der Hotzenwald nicht nur ein beliebtes Urlaubsziel, sondern zählt auch mit seinen wilden Bächen, tiefen Schluchten, zusammenhängenden Wäldern und Wiesen und der frischen klaren Luft zu den letzten Refugien ungezähmter Südschwarzwälder Natur.
Was sind "Hotzen"?
Woher der Begriff "Hotzen" stammt, hat schon zu den unterschiedlichsten Erklärungen geführt. Unter "Hotzen" versteht man aber im allgemeinen ein freiheitsliebendes Bauernvolk. Das Wort selbst stammt vermutlich aus der Gerbersprache. Dort nannte man ein grobes Tuch, welches aus Schafswolle hergestellt wurde, einfach "Hotz". Dieser Begriff übertrug sich später auf die Hose, die sich die Bauern der Region selbst schneiderten und irgendwann waren die Träger dieser Hosen halt die Hotzenwälder. Das Wort Hotzenwald bzw. Hotzenwälder setzte sich als Begriff für die Region und seine Menschen erst im 19. Jahrhundert durch. Es umfasste das Gebiet der ehemaligen vorderösterreichischen Herrschaft Hauenstein, zwischen Hochrhein, St. Blasien und Schluchsee gelegen. Erstmals erwähnt hatte das Wort Hotzenwald Joseph Viktor Scheffel, der berühmte Dichter und Musiker von Säckingen.
Einungen im Hotzenwald
Bereits im frühen 14. Jahrhundert teilte man aus organisatorischen Gründen die Grafschaft Hauenstein in 8 verschiedene Einheiten oder "Einungen" auf. Als Einung bezeichnete man im Mittelalter eine beschworene Vereinbarung oder einen durch Einung begründeter Verband. Er diente meist zur Friedenssicherung oder auch, um gegenüber Dritten als Einheit aufzutreten. Fünf der Einungen im Hotzenwald lagen rechts der Alb, man nannte sie auch die "Unterälber". Die anderen drei Einungen lagen links der Alb, man nannte sie die Oberälber. Um ein Gleichgewicht zu erhalten, was bei Wahlen besonders wichtig war, zählte man die Einung Wolpadingen meistens zu den Oberälpern mit dazu, so dass sich je vier Einungen "ob" und vier Einungen "nid" der Alb befanden. Benannt waren die Einungen nach ihren Haupt- bzw. Verwaltungsorten und sie umfassten meistens mehrere Dörfer. Einzige Ausnahme ist die Wolpadinger Einung. Man nannte sie meistens Dachsberger Einung. Mit Dachsberg bezeichnet man früher einen Höhenrücken zwischen Alb und Ibach, heute auch der Name einer dortigen Gemeinde.
Das Ende der Grafschaft Hauenstein
Nach dem Frieden von Pressburg am 26. Dezember 1805 endete die österreichische Herrschaft im gesamten Südschwarzwald, am Hoch- und Oberrhein. Auch das Land der Hotzenwälder, die Grafschaft Hauenstein, war damit faktisch erloschen. Alle ehemaligen habsburgerischen Gebiete kamen nun an das Großherzogtum Baden. Die Huldigung für den neuen Landesherrn, im Jahr 1806 war es Kurfürst Karl Friedrich von Baden, fand in Freiburg statt. Jede Gemeinde musste einen Vertreter nach Freiburg schicken, der nun stellvertretend für alle Gemeindemitglieder den Huldigungseid ablegte. Mit Durchführung dieser Huldigung war nun die Grafschaft Hauenstein endgültig erloschen.
Salpeter und Salpeterer im Hotzenwald
Der Begriff Salpeter ist eine allgemeine Sammelbezeichnung für diverse anorganische Nitrate, die Salze der Salpetersäure. Der Begriff leitet sich aus dem mittellateinischen "sal petrae" ab, was übersetzt nichts anderes als Felsensalz heißt. Salpeter findet sich auch im Urin von Tieren und reihert sich als weises Salz auch an den Wänden der Ställe oder in Dunglegen an. Dieser Salpeter hatte für viele Jahrhunderte einen hohen Stellenwert in der Produktion von Schießpulver und war dadurch eine wichtige ökonomische Grundlage auch für die Menschen des Hotzenwaldes. Aus dem Abfallprodukt Salpeter wurde unter Zugabe von Holzkohle und Schwefel Schießpulver hergestellt. Die sogenannten Salpeterer zogen von Ort zu Ort im Hotzenwald und kratzten in den Bauernhöfen die weiße Salzkruste von den Ställen. Danach unterzogen sie den gesammelten Salpeter einer grünlichen Reinigung und kochten es in ihren Siederein zu reinem Kali-Salpeter aus. Mit der Zeit wurde dieser Erwerbszweig im Hotzenwald so bedeutend, dass die Salpeterer selbstbewusste Burschen wurden, die der Obrigkeit im Zweifelsfall ordentlich Widerstand leisteten. Bekanntester Salpeterer war der Salpeterhans, auch Johann Friedolin Albiez genannt. Er kämpfte viele Jahre für die freiheitlichen Rechte der Hotzenwälder und starb im Jahr 1727 in einem Freiburger Gefängnis.
Banat
Die Salpeterer wehrten sich gegen die Leibeigenschaft und das Anspruchsdenken des Klosters St. Blasien. Immer wieder mussten die Aufstände der Hotzenwälder mit Waffengewalt durch herbeigerufene Soldaten niedergeworfen werden. Die Anführer der Hotzenwälder wurden oft hingerichtet oder nach Osteuropa ins Banat verbannt. Zuletzt ließ die Kaiserin Maria Theresia 1755 über Nacht mehr als 100 Hotzenwälder verhaften und Männer, Frauen wie Kinder in die Verbannung geschickt oder zur Auswanderung gezwungen.
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